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Sara: „Ich würde es noch mal so machen“

Saras Tochter Lina ist zwei Jahre alt. Mit dem Vater ist Sara nicht mehr zusammen, aber er besucht Lina regelmäßig. Sara ist gern Mutter, auch wenn ihr Alltag manchmal stressig ist. Sie achtet auch auf ihr eigenes Glück und hat Vertrauen in sich selbst und ihr Kind.

Ich bin jetzt 22, und meine Tochter Lina ist zwei Jahre alt. Ich habe schon alleine gewohnt, als ich schwanger war. Eigentlich wollte ich gerne eine Hausgeburt machen, aber das ging aus medizinischen Gründen leider nicht. Die Geburt selbst war ein unglaubliches Erlebnis. Ich hatte fast das Gefühl, ich stehe neben mir und feuere mich selber an. 

Als Lina da war, hab ich sie auf den Arm genommen: Alles war dran, und ich war überwältigt, wie groß sie schon war! Dann habe ich sie auf mich draufgelegt und in diesem Moment gespürt: Sie braucht mich, ich bin verantwortlich, und ich muss gucken, dass das jetzt funktioniert. 

Die ersten Wochen nach der Geburt

Am Anfang fiel es mir schwer. Ich fand mich total hässlich nach der Geburt, mir sind die Haare ausgefallen, ich hatte immer noch einen Bauch ... Nach vier Wochen habe ich mir gewünscht, dass ich wieder irgendwas für mich selbst hätte. Ich wollte nicht nur aufs Mamasein begrenzt werden, obwohl ich Lina gerne um mich hatte und mich gerne um sie gekümmert habe. Ich habe sie auch von Anfang an überall hin mitgenommen.

Der Alltag war – und ist – schon manchmal total anstrengend: wenn du Stress hat, einkaufen musst, aufräumen, Hausaufgaben machen, Post erledigen ... Es ist super, dass ich meine Eltern habe. Sie haben mir im ersten Jahr ganz viel geholfen und tun das immer noch. Ich bin nach dem Mutterschutz, also nach zwei Monaten, wieder in die Schule gegangen, und sie haben auf Lina aufgepasst. 

Ich habe auch mal geheult, wenn ich zur Schule musste. Dann habe ich mir gesagt: Auch wenn ich mich jetzt von ihr trennen muss, ich weiß, es geht ihr gut, und mir tut es auch gut. In der Schule habe ich in jeder Pause Milch abgepumpt. Manchmal hab ich Lina mitgenommen und auch Klausuren mit ihr zusammen geschrieben. Meine Schulleitung war nicht begeistert, aber es ging eben nicht anders.  

Sich eine Auszeit zu schaffen, ist wichtig. Für mich war das einmal in der Woche, da haben Oma und Opa sie genommen und ich hatte einen Abend für mich. Selbst wenn ich nur alleine auf der Couch gesessen habe, war das trotzdem total wichtig.

Lina braucht ihren Vater

Es war von Anfang an klar, dass Linas Vater und ich nicht mehr zusammen sein wollen. Aber einige Zeit nach der Geburt habe ich ihn angerufen und gesagt: Die Lina ist da, du kannst gerne kommen und sie sehen. Das war zuerst sehr schwer. Ich musste erst mal den Frust und die Enttäuschung über ihn vergessen und es hat lange gedauert, bis ich nicht mehr solche Wut hatte. 

Und er war zuerst überfordert. Wir hatten oft Auseinandersetzungen. Irgendwann haben wir uns richtig gezofft. Aber das war gut, und jetzt sind viele wichtige Punkte geklärt. 

Jetzt kommt er jedes zweite Wochenende vorbei und besucht uns. Mittlerweile sehe ich ihn eher als einen Kumpel an. Letztes Wochenende haben wir ihn mal besucht, damit Lina auch weiß, wo und wie er lebt. 

Im Kindergarten fängt es jetzt an, dass die anderen Kinder von ihren Vätern erzählen: Mein Papa ist der beste! Aber was sollte denn mein Kind sagen, wenn es seinen Papa nie sieht? Wenn es im Kindergarten ein Vätertreffen gibt, sage ich ihm, dass er dabei sein sollte und das wichtig für die Lina ist, für ihre Erziehung und auch für ihre Sicherheit im Leben.

Wieder verliebt

Mein neuer Freund ist ein bisschen älter als ich. Noch wohnen wir nicht zusammen. Ich bespreche alles mit ihm, was Linas Vater betrifft, und die beiden wollen sich jetzt mal kennenlernen. Für den Vater von Lina ist es bestimmt auch wichtig, dass er weiß: Wer ist denn da jetzt so viel mit meinem Kind zusammen. Und mein Freund ist neugierig, was Linas Vater für einer ist.

Mein Freund ist im Alltag viel dabei. Er sagt zum Beispiel mal zu Lina: Räum das bitte erst mal auf, bevor du was anderes nimmst. Auch wenn mir nicht immer gefällt, was er gerade sagt, sage ich Lina erst mal: Der hat recht, räum das bitte auf. Und nachher gehe ich dann zu ihm und sage: Da hättest du sie ruhig spielen lassen können. Ich will nicht, dass er vor der Lina schlecht dasteht. Damit Lina weiß: Da gibt es eine Struktur, die sind sich einig.

Mehr Unterstützung von außen wäre gut

Ein Kind zu haben ist schön, aber es ist sehr schwer, alleinerziehend zu sein. Ich fühle mich immer noch alleine für meine Tochter verantwortlich. Außerhalb meiner Familie gibt es wenig Anerkennung und auch viel Neid, zum Beispiel auf die tolle Unterstützung durch meine Familie. Mein Vater sagt immer zu mir: Du machst das echt super. Aber ich weiß, dass das bei vielen ganz anders ist. Eine Bekannte ist von zu Hause ausgezogen, weil die Eltern sich zuviel eingemischt haben. 

Sehr geholfen hat mir die Beistandschaft des Jugendamtes, weil ich mich dann nicht mehr um Unterhaltsfragen kümmern musste. Das hat viel Stress aus dem Verhältnis mit Linas Vater genommen. 

Was die Sache kompliziert macht, ist, dass es so wenig Unterstützung von außen gibt. Zum Beispiel musste ich mich in der Schule rechtfertigen, dass ich nach sechs Monaten immer noch stillen wollte. Dabei ist das doch meine Entscheidung! 

Oder eine Frau vom Amt hat mir gesagt, ich soll lieber noch anderthalb Jahre Hartz IV beziehen, als mich um eine Ausbildungsstelle zu bemühen. Ich soll also lieber weiter abhängig sein, anstatt mich selbst um uns zu kümmern?! Da bin ich rausgegangen und hab geheult. Aber jetzt werde ich bald eine Ausbildung anfangen.

Lina ist im Kindergarten, seit sie ein Jahr alt ist, und es tut ihr sehr gut. Sie ist sozial und kann teilen. Für mich ist es wichtig, dass sie ihren Horizont erweitert und Kontakt zu vielen Menschen hat. Aber mir hilft es auch, dadurch habe zum Beispiel Zeit, zum Sport zu gehen.

Mit dem Kind leben, nicht für es

Ich würde es auf jeden Fall noch mal so machen. Wenn ich 40 bin, ist Lina 20, und dann kann ich ja auf Reisen gehen und mir die Welt ansehen. Bis dahin finde ich es wichtig, dass ich mit dem Kind lebe und nicht für es. Ich nehme sie viel mit, wenn ich rausgehe. Ich will mir nicht alle meine Freiheiten nehmen lassen, damit ich glücklich und ausgeglichen sein kann.

Ich finde es total wichtig, Vertrauen in sich und in das Kind zu haben. Dass man auf seine Gefühle achtet und mit sich im Reinen ist. Das, was mir in der ganzen Zeit am meisten Halt gegeben hat, ist so etwas wie ein Urinstinkt. Dass ich wusste: Egal, was ich jetzt mache, das wird schon laufen. Das hat immer alles gerettet. 

Stand: 14.07.2010